Verwaltung legt dem Rat falsche Zahlen vor

Die Mitgliedschaft im Braunschweiger Rat ist ein Ehrenamt, die meisten Ratsmitglieder üben ihre Ratstätigkeit neben ihrer beruflichen Tätigkeit aus. Aus diesem Grund ist es üblich, dass die Ratsmitglieder die Verwaltung beauftragen, wichtige Fakten zusammenzustellen um auf Grundlage dieser Fakten eine Entscheidung zu treffen.

Schlecht ist es nur, wenn diese Fakten falsch oder irreführend sind. Das wird bei der Ratssitzung am Dienstag der Fall sein. Am Dienstag wird sich der Rat der Stadt mit der Bezahlung der Tagesmütter befassen. Dazu ist die Verwaltung gebeten worden, Berechnungsbeispiele aus Sicht der Tagesmütter zu erstellen. Die Beispiele sind im Ratsinformationssystem der Stadt (hier) abrufbar. Sie enthalten falsche Zahlen und gehen von falschen Voraussetzungen aus. Ob eine Absicht dahintersteckt kann ich nicht sagen. Auf diese Art sind jedoch Fehlentscheidungen vorprogrammiert.

Das erste Beispiel geht von einer Tagesmutter aus, die täglch 5 Kinder 8 Stunden täglich betreut. So einen Fall wird es in ganz Braunschweig nicht geben. Die meisten Tagesmütter betreuen drei bis vier Kinder. Die meisten Kinder werden 4 bis 6 Stunden betreut.

Das zweite Beispiel, eine Tagesmutter die 3 Kinder 5 Stunden täglich betreut, ist daher schon realistischer. Es ergibt sich aktuell ein Einkommen von 766,43 Euro pro Monat. Dabei sind aber die Unkosten, die die Tagesmutter hat, nicht berücksichtigt. Die Tagesmutter braucht Platz in der Wohnung, zum Spielen, zum Essen und für den Mittagsschlaf. Unsere Tagesmutter hat beispielsweise ein separates Zimmer als Spielzimmer für die Tageskinder ausgestattet. Man darf nicht davon ausgehen, dass jede Tagesmutter eigene kleine Kinder hat, deren Kinderzimmer dann genutzt werden kann. Aus unserer Erfahrung heraus ist dies auch nicht besonders erstrebenswert. Denn wenn das eigene Kind krank ist fällt die Tagesmutter aus, und das ist oft der Fall.

Setzt man für den zusätzlichen Platzbedarf in der Wohnung einmal 200 Euro an, so bleiben noch 566,43 Euro. Davon gehen noch Kosten für eine Grundausstattung mit Möbeln, Spielzeug, Bilderbücher, Hochstühle, Geschirr, Betten usw. runter. Diese Dinge müssen ab und an erneuert werden. Hinzu kommen Strom und Wasser, Verwaltung, Fortbildung. Zieht man das alles ab, glaube ich nicht, dass der Tagesmutter mehr als 400 Euro im Monat bleiben.

Niemand wird in Abrede stellen, dass rund 400 Euro sind für eine qualifizierte Tätigkeit, die 25 Wochenstunden umfasst, zu wenig sind.

Die o.g. Unkosten spiegeln sich ja auch in der Betriebskostenpauschale von 187,50 pro Platz wieder. Zieht man diese Kosten von den Einnahmen der Tagesmutter (766,43 Euro) ab, bleiben sogar nur noch 203,92 Euro im Monat übrig.

Bei der Rentenversicherung hat die Verwaltung lediglich den Mindestbeitrag von 79,60 angesetzt, der dann zur Hälfte von der Tagesmutter und von der Stadt getragen wird. Dieser Mindesbeitrag basiert auf einem Bruttoeinkommen von 400 Euro im Monat (aktueller Beitragssatz der gesetzlichen Rentenversicherung 19,9%). Das heißt letztendlich, dass die Tagesmutter, wenn sie ihr Leben lang als solche gearbeitet hat eine spätere Rente von rund 260 Euro zu erwarten hat (ausgehend von einem Rentensatz von 65%).

Bei der Tagesmutter mit 5 Kindern ist die Berechnung der Verwaltung falsch: Auf den Internetseiten des Bundesfamilienministeriums ist Folgendes zu lesen: „Wenn die Einkünfte der Tagespflegeperson nach Abzug der Betriebsausgabenpauschale (pro Kind und Monat) 400 Euro überschreiten, sind Tagesmütter und -väter rentenversicherungspflichtig. Der Beitragssatz der gesetzlichen Rentenversicherung liegt derzeit bei 19,9 Prozent.“ (http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/Politikbereiche/kinder-und-jugend,did=112348.html). Die Tagesmutter mit 5 Kindern wird daher nicht 39,80 Euro monatlich zahlen, sondern 83,48 Euro (bzw. bei 4,50 Euro pro Kind/Stunde 238,80 Euro). Auch die Stadt wird diesen Beitrag zahlen müssen. Da es jedoch keine Tagesmütter mit 5 Kindern gibt, die diese 8 Stunden täglich betreuen, werden die von der Verwaltung für nächstes Jahr prognostizierten Zusatzkosten richtig sein. Die Zahlen zur Kranken- und Pflegeversicherung sind übrigens korrekt.

Ich halte es auch für falsch von „Einkommen (ohne Berücksichtigung sonstiger Ausgaben)“ zu sprechen. Vielmehr handelt es sich um Einnahmen. Aus Einnahmen einen Stundensatz zu errechnen halte ich für irreführend, da dies suggeriert, die Tagesmütter könnte das Geld für sich behalten. Hier verwechselt man im Grunde genommen Umsatz mit Gewinn.

Es gibt noch einen dritten Grund, warum ich die Berechnungsbeispiele für irreführend halte. Bei der Tagesmutter, die 25 Stunden in der Woche tätig ist, kommt die Verwaltung auf einen steuerlichen Abzug von 0 Euro. Bei der Tagesmutter mit 40 Stunden wird ein steuerlicher Abzug von 34,25 Euro errechnet. Das liegt daran, dass in allen Beispielen davon ausgegangen wird, dass die Tagesmutter ledig ist. Die meisten Tagesmütter sind jedoch verheiratet. Daher müssen sie ihr Einkommen zu dem Steuersatz versteuern, dem sie als Ehepaar unterliegen. Realistisch wäre es daher, hier z.B. von 25% auszugehen. Wegen der noch bis Ende 2008 geltenden Einkommensteuerfreiheit der Einkünfte aus Kindertagespflege sind verheiratete Tagesmütter derzeit bei ihrem Ehepartner mitversichert, sie zahlen also keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Ab 2009 wird das der Fall sein. Die Beispiele tun also so, als würden sich die Tagesmütter durch die neue Regelung kaum schlechter stellen, die Wahrheit sieht jedoch anders aus.

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2 Antworten to “Verwaltung legt dem Rat falsche Zahlen vor”

  1. Tagesmütter: Rat entscheidet nicht - bereits 25 Plätze gekündigt « Newspatch - Braunschweig Blog Says:

    […] falschen Zahlen hinsichtlich der Beiträge zur Rentenversicherung (siehe mein vorhergehender Artikel) wurden inzwischen korrigiert. Die korrigierte Version ist zusammen mit einigen weiteren […]

  2. Mr. X Says:

    Dies ist nur ein Testkommentar. Wie man hier sieht, kann man beliebige Namen verwenden. Die Mailadresse muss auch nicht existieren.


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